PM May verschiebt Brexit auf den Sanktnimmerleinstag .....

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  • RE: Put up or shut up!

    Wanli, 21.10.2019 00:37, Antwort auf #148

    Dass die Opposition ihn nicht stürzen möchte (oder kann), macht es doch nicht demokratischer! Dazu kommt noch, dass GB keine Verfassung hat und die Regierung bzw. der oberster Gerichtshof somit im demokratiefreien luftleeren Raum zu handeln scheinen.

    So funktioniert das britische System aber nun einmal - und das schon beeindruckend lange. Das Parlament ist demokratisch gewählt - wenn auch nach dem wenig sinnigen Mehrheitswahlrecht - und könnte jederzeit eine andere Regierung einsetzen. Solange es das nicht tut, ist Johnson, von dem ich nun wahrlich auch kein Fan bin, der legitime Premier.

    Anstatt auf die ach so undemokratischen (Rumpf-)Tories zu schimpfen, sollte sich die Opposition mal an die eigene Nase fassen: Entweder die Situation ist so brisant und diese Regierung hat so komplett allen Kredit verspielt: Dann kriegt halt den Hintern hoch und befördert Kenneth Clarke, ich würde es ihm gönnen. Oder alle Erregung ist größtenteils Theaterdonner und nicht wert, dass LibDems / Labour / Tory-Rebellen / Regionalparteien mal irgendwas Ungewöhnliches riskieren oder über Schatten springen: Dann sollen sie uns aber bitte auch das Pathos ersparen.

    Zudem hat das UK ja irgendwo schon eine Art Verfassung, die halt nicht dem Modell anderer Staaten entspricht. Aber verglichen mit dem System der übrigen Welt hat sich dieses Arrangement gar nicht so schlecht geschlagen historisch betrachtet. Gut, man kann natürlich diskutieren, ob die Verhältnisse im 21. Jahrhundert sich so stark gewandelt haben, dass manche altehrwürdigen demokratischen Systeme in der herkömmlichen Form nicht mehr funktionieren; auch in den Staaten hat sich die politische Realität seit der Jahrtausendwende ja deutlich von der Praxis der zweihundert Jahre davor entfernt, und sicher nicht zum Besseren.

    Die EU hatte schon immer institutionelle Demokratiedefizite. Es geht mir nicht um deren Handeln oder mangelnde Geduld, sondern um einzelne Politiker wie Macron oder eben auch Juncker, die so tun als sprächen sie für die (gesamte) EU, ohne demokratisch ausreichend legitimiert zu sein. Macron ist eben nur "französisch" legitimiert, Juncker Kommissionschef auf Abruf und per se nicht ausreichend demokratisch legitimiert, weil nicht gewählt sondern von Staatsführen bestimmt worden. Demokratisch wäre, wenn das EU-Parlament über die Akzeptanz einer Verlängerung abstimmen würde und das alleinige Sagen hätte, anstatt jedem Stäätchen wie Luxemburg, Malta oder Zypern ein Vetorecht einzuräumen.

    Das ist ja eine traditionsreiche Diskussion. Die EU ist eine sonderbare Mischung aus Bundesstaat und Staatenbund, das ist klar. Ich bin allerdings skeptisch, ob eine Veränderung hin zu mehr Kompetenzen für Brüssel tatsächlich realistisch ist. Wird man die Bürger hierfür begeistern können? Werden sie so europäisch denken, dass Europawahlen nicht mehr wie derzeit klassische Protestwahlen sind, wo man gern Parteien die Stimme gibt, die man bei der Bundestagswahl nicht so leicht wählen würde, weil es da ja um UNSER LAND geht, während das Parlament in Straßburg nur als unbedeutende Quasselbude gesehen wird?

    Wie auch immer: Ich glaube, auch das Europäische Parlament hätte den Brexit nicht so viel anders gehandhabt als das Konzert der Einzelstaaten. Wie gesagt: Ich wüsste gar nicht, wo man der EU hier einen großen Vorwurf machen sollte; die hat ehrlich mit den Briten verhandelt, war flexibel auch im Hinblick auf die Deadline. Das Problem ist doch überhaupt nicht Brüssel (oder Paris), sondern dass die Briten sich nicht wirklich entscheiden können, was sie eigentlich wollen.

    Wenn man mal konstatiert, dass die letzten beiden Regierungen, Oppositionen und Parlamente auf nahezu allen Ebenen versagt haben, wären Neuwahlen + Volksabstimmung die demokratischste Lösung.

    Also, dass ausgerechnet ich den alten Bastard Boris Johnson mal in Schutz nehmen würde, überrascht mich selbst. Aber die Tories strebten ja vor wenigen Wochen Neuwahlen an, das Parlament hat abgelehnt. Und die Abgeordneten der Opposition im amerikanischen Kongress (die praktisch überhaupt keine Macht haben) können nur träumen von den Möglichkeiten, die ihre Schicksalsgenossen im UK haben: Gesetzentwurf zu einem neuen Referendum ins Parlament einbringen, den mit einer Mehrheit verabschieden, BAMM!

    Ich persönlich begrüße es, wenn jetzt mal richtig Druck auf den Kessel kommt, sodass den Zauderern nur drei Möglichkeiten bleiben:

    a) Demnächst ohne Vertrag raus aus der EU, voll gegen die Wand;

    b) der Regierungsdeal;

    c) ein kreativer Kompromiss, der gegen Johnsons Zombiehorde durchgedrückt wird.

    Wenn für (c) nicht ausreichend Rückgrat vorhanden ist, beugt halt das Knie vor King Boris, nix anderes habt Ihr dann verdient, liebe right honourable ladies & gentlemen.

  • RE: Put up or shut up!

    drui (MdPB), 21.10.2019 01:52, Antwort auf #151

    Aber die Tories strebten ja vor wenigen Wochen Neuwahlen an, das Parlament hat abgelehnt.

    Ja, weil es vorher die Verlängerung des Brexitdatums wollten, um einen kalten Brexit bzw- schlechten Deal zu verhindern, es wäre sonst der Johnson-Regierung ausgeliefert gewesen.

    Wenn für (c) nicht ausreichend Rückgrat vorhanden ist, beugt halt das Knie vor King Boris, nix anderes habt Ihr dann verdient, liebe right honourable ladies & gentlemen.

    Ich habe absolut kein Mitleid mit der Opposition, aber dafür mit den Millionen von Remainern und enttäuschten Ex-Brexitern (also der Mehrheit der Bevölkerung), denen jede Einflussmöglichkeit auf den Brexitausgang verwehrt wird. Du willst sie für die Dummheit von Jeremy büßen lassen, ich nicht. Ich denke, jede Entscheidung des derzeitigen Parlaments bezüglich dem Brexit sollte durch eine erneute Volksabstimmung mit diesmal klaren Optionen demokratisch legitimiert werden.

  • Pyrrhus 19

    Wanli, 21.10.2019 12:47, Antwort auf #152

    Ich habe absolut kein Mitleid mit der Opposition, aber dafür mit den Millionen von Remainern und enttäuschten Ex-Brexitern (also der Mehrheit der Bevölkerung), denen jede Einflussmöglichkeit auf den Brexitausgang verwehrt wird. Du willst sie für die Dummheit von Jeremy büßen lassen, ich nicht. Ich denke, jede Entscheidung des derzeitigen Parlaments bezüglich dem Brexit sollte durch eine erneute Volksabstimmung mit diesmal klaren Optionen demokratisch legitimiert werden.

    Mitgefühl mit den Remainern: natürlich, sämtliche meiner britischen Freunde und Bekannten sind gegen den Austritt. Will ich sie für die Einfallslosigkeit der Opposition büßen lassen? Nein, aber es geht mir nicht darum, was ich will oder was gerecht wäre, sondern darum, was passieren wird.

    A) Man könnte hier im Forum den Eindruck gewinnen, die Opposition eile von Sieg zu Sieg und Johnson müsse eine Schlappe nach der nächsten einstecken. Ja, Johnson verliert seine Schlachten und Scharmützel, aber leider gewinnt er den Krieg.

    He is thought to be very close to securing a majority for approving his deal, having the support of around eight Labour MPs and a handful of independents, along with most former Tories from whom he withdrew the whip.

    B) Es scheint eine Initiative zu geben, doch noch ein Referendum an den Regierungsdeal anzutackern. Ich würde es begrüßen, wenn das klappt, halte es aber für eher unwahrscheinlich. Vielleicht hätte es einen Zeitpunkt gegeben, zu dem die Regierung (wahrscheinlich eher noch unter May) zu einem solchen Kompromiss zu überreden gewesen wäre, aber ich vermute, dass es jetzt zu spät ist, zudem scheint Corbyn immer noch fähig, diesen Ansatz seiner Parteifreunde zu hintertreiben.

    Labour could vote for Johnson’s deal if a second referendum was added to the withdrawal agreement bill, despite the party’s fundamental objections to the terms of the UK’s proposed departure from the EU.

    This went much further than [the] party leader, Jeremy Corbyn, who has previously said that Labour could not vote for Johnson’s deal even with a second referendum attached.

    https://www.theguardian.com/politics/2019/oct/20/labour-seeks-new-alliance-to-ki ll-off-boris-johnsons-brexit-deal

    -----

    Nur mal fürs Protokoll: Boris Johnson und seine Clique von Public-School-Boys wie Jacob Rees-Mogg oder Michael Gove sind arrogante Widerlinge, deren neoliberale Pläne für die Zukunft des UKs mich nicht gerade freudig stimmen.

    Solche Leute sollten nicht gewinnen, aber sie können sich durchsetzen, wenn sie unbeirrbar und hartnäckig ihr Ziel verfolgen und dabei ein Gefühl der Entfremdung vom politischen System instrumentalisieren, um viele kleine Leute dazu zu bringen, gegen ihre eigentlichen wirtschaftlichen Interessen zu stimmen.

    Eine Opposition dagegen darf sich nicht darauf beschränken, hier und da Sand ins Getriebe zu streuen oder die Rücksichtslosigkeit / schmutzigen Tricks der Regierung zu beklagen: Solange sie kein klares Ziel präsentieren kann, den Entwicklungen immer nur hinterherhinkt, wird sie verlieren. Das haben die amerikanischen Demokraten 2016 lernen müssen, als Clinton im Wahlkampf vor allem Trumps miesen Charakter und seine Entgleisungen thematisierte, während es ihrem Gegner gelang, den Eindruck zu vermitteln, er sei charakterlich zwar eine Körperöffnung im Rektalbereich, habe aber einen Plan für das Land, den er tatkräftig verfolgen werde.

  • Exkurs: verdammtes Mehrheitswahlrecht / Strukturwandel

    Wanli, 21.10.2019 13:55, Antwort auf #153

    Ein gewichtiger Grund für das derzeitige Chaos im britischen Parlament ist schlicht auch das Mehrheitswahlrecht, das dafür sorgt, dass der Volkswillen im Unterhaus weniger klar repräsentiert ist, als es bei einem Verhältniswahlrecht der Fall wäre.

    Historisch hat das Mehrheitswahlrecht natürlich vor allem den Tories und Labour genutzt. Welche Ausmaße diese Verzerrung des Wählerwillens im Extremfall annehmen konnte, kann man schön am Ergebnis der Parlamentswahl 1983 (erreichte Prozente versus Sitze) sehen.

    https://en.wikipedia.org/wiki/1983_United_Kingdom_general_election

    Als 2011 ein Referendum über eine Wahlrechtsreform (die Elemente des Verhältniswahlrechts eingeführt hätte) abgehalten wurde, wurde eine solche Änderung denn auch von Labour nicht unterstützt, die Tories lehnten sie entschieden ab; das Referendum scheiterte deutlich.

    https://en.wikipedia.org/wiki/2011_United_Kingdom_Alternative_Vote_referendum

    Das Mehrheitswahlrecht fällt Labour nun auf die Füße. Johnson richtet seine Konservativen ja rabiat neu aus als klare Brexit-Partei, Abweichler werden ausgeschlossen. Das birgt Risiken, denn einige Wahlkreise könnten die Tories dadurch verlieren; anderswo dagegen könnte die Neuausrichtung der Partei nützen. Der zweiten großen Partei, Labour, fällt eine solche Neuausrichtung jedoch noch weit schwerer und das macht ihre Position den Brexit betreffend halt auch so zögerlich - es liegt also nicht allein an Corbyn. Hier mal die begründete Schätzung des Wahlergebnisses beim Brexit-Referendum in den von den verschiedenen Parteien gehaltenen Wahlkreisen:

    https://fullfact.org/europe/did-majority-conservative-and-labour-constituencies- vote-leave-eu-referendum/

    Man erkennt, in welchem Dilemma die Labourführung steckt; zu allem Überfluss werden sowohl einige der besonders EU-kritischen wie auch diverse überdurchschnittlich europhile Wahlkreise von Labourabgeordneten vertreten.

    https://www.bbc.com/news/uk-politics-38797243

    Dieser Befund suggeriert einerseits, dass Labour auch wegen des der Partei Jahrzehnte lang nützenden Wahlsystems in der Bredouille steckt. Andererseits legt er eine Strategie nahe, die die Arbeiterpartei mittlerweile auch zu verfolgen scheint, aber möglicherweise zu spät: als oberste politische Priorität ein zweites Referendum anzustreben mit einer realistischen Austrittsoption einerseits (realistisch betrachtet wohl dem May- oder Johnson-Deal) und dem Verbleib in der EU andererseits. Dies angesichts der eigenen prekären Lage nicht früher erkannt und energischer verfolgt zu haben, kann man der Parteiführung wohl anlasten.

    -----

    Noch ein weiterer Gedanke: Sinn Fein ist eine Partei, die eindeutig für einen Verbleib des UKs in der EU eintritt. Blöd, dass die nordirischen Republikaner nie die Kraft fanden, von ihrem während der Troubles gefassten Beschluss Abstand zu nehmen, der Partei zustehende Parlamentssitze in London (momentan 7) auch einzunehmen. Auch so kann man seine Wähler verraten aus Feigheit, mit den anachronistischen Ritualen der Vergangenheit zu brechen.

    EDIT

    Ein Stimmungsbild aus dem Wahlkreis Don Valley, einem ehemaligen Kohlerevier in Yorkshire, seit seiner Bildung vor hundert Jahren durchgehend von Labour-Abgeordneten repräsentiert. Wie bekommt eine Partei so komplett unterschiedliche Milieus unter einen Hut wie die hier zitierten Wähler einerseits und die EU-Anhänger auf dem Protestmarsch in London andererseits?

    https://www.theguardian.com/politics/2019/oct/20/she-has-listened-to-us-constitu ents-back-labour-rebel-caroline-flint

  • Spaltpilz

    Wanli, 22.10.2019 01:12, Antwort auf #154

    Im Unterhaus heute heftige Erregung, jede der beiden Seiten bezichtigte die jeweils andere schmutziger Tricks. Im Laufe der Woche soll jetzt das komplexe Gesetzespaket zum Brexit verabschiedet werden, das den Abgeordneten seit einigen Stunden vorliegt. Hektik und Drama sind garantiert.

    Einer aktuellen YouGov-Umfrage zufolge ist auch die Bevölkerung - wenig überraschend - weiterhin klar gespalten:

    http://www2.politicalbetting.com/index.php/archives/2019/10/21/views-on-brexit-t he-deal-and-the-negotiations-latest-yougov-polling/

  • Trilemma

    Wanli, 22.10.2019 09:33, Antwort auf #155

    Beim Blick auf die Umfragezahlen oben auffällig: Knapp 20% aller Befragten und über 35% der Leave-Wähler würden es begrüßen, wenn das UK die EU ohne Deal verließe. Auf den ersten Blick wirkt das absolut befremdlich, denn die ökonomischen Folgen dürften ziemlich katastrophal sein, das zu erwartende Chaos würde bis in den Alltag der Briten zu spüren sein. Hab gestern einen Blogpost gelesen, der verdeutlicht, warum gar nicht mal so wenige Briten offenbar trotzdem ein solches Szenario anstreben.

    Der Post stellt zunächst einmal fest, die Akteure bei den Austrittsverhandlungen hätten grundsätzlich drei Ziele vor Augen gehabt:

    A) Die Bewahrung des Status Quo in Irland,

    B) die Einheit des Vereinigten Königreichs,

    C) die weitestmögliche Wiedererlangung der britischen Souveränität.

    Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, lassen sich diese drei Ziele nicht unter einen Hut bringen: Bei einem davon muss man immer Abstriche machen. Ziel A ist für Dublin (und damit die EU) nicht verhandelbar, also hat sich Theresa May dafür entschieden, A + B zu kombinieren und bei C Abstriche zu machen: Das gesamte UK wäre bis auf Weiteres an die meisten Regeln des Binnenmarktes gebunden gewesen.

    Johnson hat andere Prioritäten gesetzt, sein Deal verbindet A + C auf Kosten von B: Für Nordirland würden in der näheren Zukunft andere Bedingungen gelten als für Großbritannien, dafür wäre die größere Insel nicht mehr betroffen von Beschlüssen Brüssels.

    While May’s choice was for preserving the Union, Johnson’s has been for taking back control. Making the distinction in this way I can understand why the more extreme Leavers would be happier with Johnson’s deal, and how much opposition Remainers and the DUP lost by opposing May’s deal.

    http://www2.politicalbetting.com/index.php/archives/2019/10/18/dealing-with-the- brexit-trilemma-how-johnsons-approach-differed-from-tmays/

    Die obige Umfrage legt nahe, dass es eine gar nicht mal kleine Zahl von Briten gibt, die nach wie vor nicht zwischen B und C wählen will: Nun denn, denen bleibt als einzige Option dann der No-Deal-Brexit.

    Am letzten Samstag hat man nun gesehen, dass eine Mehrheit im Parlament befürchtet, dass nicht nur eine Minderheit der Briten diesen für die beste Option hält, sondern auch die britische Regierung: Man weigerte sich, zunächst pauschal über Johnsons Deal abzustimmen aus der Befürchtung heraus, dass die Regierung dann keinen Aufschub in Brüssel hätte beantragen müssen, aber gleichzeitig auch nicht versuchen würde, den Deal in britisches Recht zu gießen. Ein No-Deal-Brexit wäre die Folge gewesen; eine Mehrheit im Parlament hielt es zumindest für vorstellbar, dass das das eigentliche Ziel der Regierung Johnson sei.

    Was, wenn Johnson das Parlament nur an der Nase herumführt, die Abstimmung im Unterhaus nur ein Trick war, um Großbritannien am 31. Oktober ohne Deal aus der EU austreten zu lassen?

    https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/brexit-deal-boris-johnson-unterhaus- abstimmung

    Ein solches Vorgehen ist jetzt vom Tisch durch die Beantragung des Aufschubs sowie den Beschluss des Parlaments, zunächst das Gesetzespaket zu verabschieden; das Drama der letzten Tage zeigt aber wieder einmal, wie wenig Vertrauen Boris Johnsons Kabinett unter den meisten Parlamentariern genießt.

  • RE: Trilemma

    Eckhart, 22.10.2019 09:42, Antwort auf #156

    A) Die Bewahrung des Status Quo in Irland,

    B) die Einheit des Vereinigten Königreichs,

    C) die weitestmögliche Wiedererlangung der britischen Souveränität.

    ......

    Die obige Umfrage legt nahe, dass es eine gar nicht mal kleine Zahl von Briten gibt, die nach wie vor nicht zwischen B und C wählen wollen: Nun denn, denen bleibt als einzige Option dann der No-Deal-Brexit.

    Was mich wundert: B), die Einheit, die wird doch massiv gefährdet durch den Brexit (in dem Fall fast egal, ob mit oder ohne deal).
    Das schottische Unabhängigkeitsreferendum wurde seinerzeit wesentlich mit dadurch verloren, dass bei Unabhängigkeit die Schotten zwangsweise durch England-Veto aus der EU geflogen wären.
    Vor 3 Jahren hatten 62% der Schotten für remain gestimmt, und jetzt sind es sicher nicht weniger geworden, nach dem Hickhack.
    Johnson geht stramm den Kurs eines Kleinbritanniens mit gespaltenem statt vereinigtem Königreich.
    Also B) wird beschädigt, indem Nordirland einen Sonderstatus bekommt und  wird komplett weggeworfen, wenn die Schotten ihr Referendum nach EU-Austritt gewinnen sollten.

  • Verrat

    Wanli, 22.10.2019 10:29, Antwort auf #157

    Was mich wundert: B), die Einheit, die wird doch massiv gefährdet durch den Brexit (in dem Fall fast egal, ob mit oder ohne deal).

    Ich persönlich will Dir da gar nicht widersprechen, bin ja jetzt auch kein Fan eines Brexits. Wenn ich aber mal versuche, mich in die Gedanken eines No-Dealers zu versetzen, dann würde ich aus dessen Perspektive wahrscheinlich Folgendes antworten:

    1) Die Entscheidung über den Brexit steht JETZT an, völlig verfrüht, sich darüber Gedanken zu machen, was die Schotten dann IRGENDWANN mal beschließen könnten. Ein Referendum müsste erst genehmigt werden und im Fall der Fälle könnte eine Mehrheit der knuffigen Berockten eben dann doch kalte Füße kriegen.

    2) Wenn die Schotten das UK verlassen, dann deshalb, weil sie sich dafür entschieden haben. Die unionistischen Nordiren aber wollen ganz einfach gleichgestellte Bürger sein; es wäre die britische Regierung, die ihnen gegen ihren Willen einen Sonderstatus zuweist. Um es mal mit mehr Pathos auszudrücken:

    http://loyalistmurals.weebly.com/uploads/1/0/4/6/10460785/9327090_orig.jpg

    “Englands cry for help” at the start of the First World War was answered by the Ulster Volunteers.  At the Battle of the Somme, “twenty thousand Ulster men they prepared to fight and die”.

    The German soldiers who oppose them wonder “what kind of men are these” who “would leave their native land” to fight for others.  The answer is given by what the Ulstermen do rather than what they say. “On the mud and on the wire, they left behind their dead”.

    “The only flag to fly that day behind the German lines” is “the old red hand of Ulster with its Shamrocks bound in nine” – advanced there by the 36th (Ulster) Division.  Thence to the Englandman’s Betrayal, as three counties are torn from historic Ulster, and given to others who didn’t volunteer to fight.

    We tell the story of this song in some detail because it provides some context for Boris Johnson’s new deal, its provisions for Northern Ireland, the rift with the Democratic Unionist Party – and the hostility to the deal of a large swathe of Unionist opinion in Northern Ireland.

    For although it is part of the United Kingdom, many Unionists fear that the latter’s largest component, England, will ultimately sacrifice them for its own convenience.  Sometimes, this fear is sublimal; at other times, rampant.  But it is always there, stowed away in the depths of the Unionist psyche.

    https://www.conservativehome.com/thetorydiary/2019/10/the-englishmans-betrayal.h tml

    Das erwähnte, in Unionistenkreisen durchaus populäre Lied auf Youtube (mit Lyrics):

    https://www.youtube.com/watch?v=RsLUZCJ6OeM

    Offiziell heißen die Tories ja Conservative and Unionist Party; die Vorstellung, dass diese Partei - und nicht etwa irgendwelche ungewaschenen SNP-Anhänger - die Union schwächt und treue Unionisten "verrät", ist offenbar vielen dieser Tories unangenehm.

    Zur Erinnerung: Die Oder-Neiße-Grenze war im Jahr der Wiedervereinigung längst eine Tatsache, aber trotzdem gab es aus manchen konservativen Kreisen vernehmliches Grummeln, als eine CDU-geführte Regierung diese offiziell anerkannte.

    EDIT

    The most significant, though, hardly surprising development during Saturday’s special Brexit debate was that the DUP with its ten MPs has totally switched to opposing the government. It is hard to see how that can be changed certainly by the current PM.

    This was not a mistake that TMay would have made.

    The sense of betrayal coming from hardline unionist communities in Northern Ireland heightens the fact that Johnson’s readiness to ignore and ditch the key element of unionism about its status being exactly the same as the rest of the UK is going to take a long time to heal. [...]

    One thing that struck me were the expressions of surprise from Brexit supporting politicians and the media about the DUP being ready to compromise the effort to leave the EU. Their lack of understanding of Irish politics over two centuries was extraordinary.

    http://www2.politicalbetting.com/index.php/archives/2019/10/22/the-loss-of-dup-s upport-means-johnson-needs-to-make-10-more-gains-from-lab-to-stay-at-number-10/

  • Augen zu und durch? / Palaver in Ulster

    Wanli, 22.10.2019 11:37, Antwort auf #158

    Eigentlich schreibt ein britisches Gesetz vor, dass internationale Abkommen dem Parlament 21 Sitzungstage vor ihrer Verabschiedung vorliegen müssen, damit ausreichend Zeit zur Diskussion bleibt.

    https://www.theguardian.com/politics/2019/oct/21/what-does-boris-johnsons-withdr awal-bill-actually-say

    Johnsons Withdrawal Agreement Bill ging den Abgeordneten gestern zu und soll noch in dieser Woche verabschiedet werden. Selbstredend sind viele Abgeordnete nicht begeistert von der Eile (und der entsprechenden Haltung der Regierung: Minister Jenrick forderte die Parlamentarier eben auf, doch jetzt nicht alle Details klären zu wollen, dafür sei ja wohl später Zeit).

    https://www.theguardian.com/politics/blog/live/2019/oct/22/brexit-boris-johnson- deal-leave-eu-live-news

    Die grüne Abgeordnete Caroline Lucas bringt die Verärgerung vieler ihrer KollegInnen sicher ganz gut auf den Punkt:

    MPs had more time to debate the Wild Animals in Circuses Act (affecting 19 animals) than they will to decide the future of 65 million people.

    https://twitter.com/CarolineLucas/status/1186557199990087685

    Die Deadline Ende Oktober ist seit dem Wochenende ja praktisch vom Tisch; es wird schwierig für Johnson, ohne diesen Druck seinen ambitionierten Zeitplan durchzusetzen. Wäre schon überraschend, wenn das Abkommen Ende der Woche wirklich in trockenen Tüchern wäre.

    -----

    Nicht nur in London redet man sich die Köpfe heiß; in Nordirland diskutieren protestantische Paramilitärs, wie man auf die Entwicklungen reagieren solle.

    LOYALISTS - including the alleged leaders of a number of rival paramilitary factions – met last night in an unprecedented show of unity following what they have claimed is a betrayal by the British government over Brexit.

    The highly unusual gathering in the East Belfast Constitutional Club saw members of various loyalist paramilitary factions come together for the first time in almost two decades. [...]

    It is understood there were calls for "resistance" and "doing whatever it takes" to prevent further compromise on Brexit.

    http://www.irishnews.com/news/brexit/2019/10/22/news/loyalists-meet-in-unprecede nted-show-of-unity-over-brexit-betrayal--1744947/

    A Co Tyrone bonfire group has come in for criticism after it said it “will fully support direct action” taken by loyalist leaders in response to the British government’s Brexit proposals.

    http://www.irishnews.com/news/northernirelandnews/2019/10/22/news/bonfire-group- supports-direct-action-over-brexit-plan-1744901/

  • Schottland zaudert

    Wanli, 22.10.2019 16:23, Antwort auf #157

    Vor 3 Jahren hatten 62% der Schotten für remain gestimmt, und jetzt sind es sicher nicht weniger geworden, nach dem Hickhack.

    -----

    Ein Referendum müsste erst genehmigt werden und im Fall der Fälle könnte eine Mehrheit der knuffigen Berockten eben dann doch kalte Füße kriegen.

    Gerade ist eine neue Umfrage veröffentlicht worden, der zufolge die Lust auf Unabhängigkeit in Schottland angeblich weniger ausgeprägt ist als noch vor fünf Jahren.

    A narrow majority (51%) were more supportive of the union, with 6% in the middle and 40% more supportive of independence.

    It also found 16% of voters who backed independence in the 2014 referendum now ‘completely" support Scotland staying part of the UK - compared to just 4% of 2014 ‘No’ voters who 'completely" support independence.

    Die Umfrage wurde in Auftrag gegeben von einer Organisation, die der SNP nahesteht (und vermutlich auf ein anderes Ergebnis spekuliert hat).

    https://www.scotsman.com/news/politics/poll-scottish-independence-voters-switchi ng-to-support-the-union-1-5030614

    Klingt erstmal sonderbar angesichts der schottischen Präferenz für den Verbleib in der EU, erklären kann ich mir die Entwicklung auch nicht, aber was will man machen: Die öffentliche Meinung schlägt halt gelegentlich seltsame Volten.

    Vielleicht war ein erster Indikator für eine Abkühlung des Wunsches nach der Unabhängigkeit bereits das Wahlergebnis der Unterhauswahlen 2017, als die SNP 21 Sitze (von vorher 56) verlor.

    https://en.wikipedia.org/wiki/2017_United_Kingdom_general_election

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