Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

  • Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    gruener (Luddit), 16.08.2019 03:21
    #1

    ich gebe mir große mühe, mich erneut unbeliebt zu machen.

    heute ist - pünktlich zum allgemeinen erinnerungswahn und zahlreichen gedenksendungen anlässlich des 50. - das hippie-festival an der reihe.

    der journalist und autor alan posener (69) zerfetzt den mythos um woodstock:

    Ich bin 20 Jahre älter als Woodstock. Was ja bedeutet, dass ich zur Woodstock-Generation gehöre. Nur, dass ich erst etwa zehn Jahre nach dem Schlammfest davon hörte, dass es so etwas gebe wie eine Woodstock-Generation. Um es deutlich zu sagen: Woodstock war damals völlig bedeutungslos. Die wichtigsten Acts des Jahrzehnts - die Beatles und die Rolling Stones, Elvis Presley und Aretha Franklin - nahmen nicht teil. Bob Dylan, der ein Haus in der Nähe besaß, kaufte sich ein Gewehr und verbarrikadierte sich gegen den erwarteten Ansturm der Drogendealer und Drogenuser, der Groupies und Möchtegerngroupies.

    Der Summer of Love 1967 mit seinen Hippie-Illusionen war zwei Jahre her. Dazwischen lag das schreckliche Jahr 1968 mit den Morden an Robert Kennedy und Martin Luther King, dem Attentat auf Rudi Dutschke, der Niederschlagung der Pariser Mai-Revolte, dem Einmarsch der Russen in die Tschechoslowakei, um eine friedliche Revolution für einen menschlichen Sozialismus zu ersticken, der Wahl des paranoiden Richard Nixon zum Präsidenten der USA. Politisch marschierte die Reaktion. Drogen und Radikalisierung hatten der Jugendbewegung von innen den Garaus gemacht. Eine Woche vor dem Woodstock-Festival hatte die Kommune um Charles Manson mit den brutalen Morden an Sharon Tate und ihren Freunden den Traum von freiem Sex, bewusstseinsverändernden Drogen und Revolution als blutigen Albtraum inszeniert.

    Warum konnte ein musikalisch mittelmäßiges, gesellschaftlich längst irrelevantes Open-Air-Konzert, das überdies ein logistisches und ökologisches Desaster war, zum Symbol für eine ganze Generation werden?

    ...dank der herrschenden Elite, die sich im Westen jedenfalls inzwischen von der Kulturrevolution erholt hatte und Berichte über naive Hippies, die ihr Paradies in eine Schlammwüste verwandelt hatten und deshalb von Armee-Hubschraubern und Armee-Notärzten gerettet werden mussten, lieber sahen als Berichte über den Sumpf von Vietnam, in dem der naive Traum des amerikanischen Jahrhunderts rettungslos versank.

    ...dank der grenzenlosen Fähigkeit vieler Leute meiner Generation, sich selbst zu täuschen, sich als Helden in einer epischen Fantasy-Erzählung zu imaginieren, in der das Gute über das Böse triumphiert, Woodstock über Vietnam, Peace & Love über Hass und Gewalt. Nichts davon ist wahr.

    https://www.ndr.de/kultur/musik/Mythos-Woodstock-Ueberschaetztes-Festival,woodst ockkommnentar100.html

    ************

    anzumerken ist, dass 50 jahre später immerhin ein ex-beatle an diesem wochenende bei einer veranstaltng in (der nähe von) bethel auftreten wird: ringo starr. derweil sowohl die veranstalter als auch die repräsentanten des staates ny nicht müde werden zu betonen, dass drogen ausnahmslos verboten sind und auf dem gesamten open-air-gelände auch das rauchen untersagt ist. dafür ladt aber eine selbstverständlich klimatisierte gedenkstätte zum besuch und zum erinnern ein. eintritt "nur" 19 dollar, 69 cent - für das betreten der "gedenkstätte".

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    Bergischer, 16.08.2019 04:42, Antwort auf #1
    #2

    Um es deutlich zu sagen: Woodstock war damals völlig bedeutungslos. Die wichtigsten Acts des Jahrzehnts - die Beatles und die Rolling Stones, Elvis Presley und Aretha Franklin - nahmen nicht teil.

    ... was für ein - nicht nur musikgeschichtlich an Fakten widerlegter - Schwachsinn den "möchtegern" "Journalist" und Autor Alan Posener da - aus vermutlich monetären Gründen - "absondert".

    u.a. mit Jimi Hendrix, Ten Years After, Jeffersons Airplane und The Who waren viele der "Topacts" der späten 60er Jahre in Woodstock - Elvis Presley und Aretha Franklin waren dagegen nicht unbedingt die "Highlights" einer progessiven amerikanischen Jugend - und die Beatles hatten sich gerade (faktisch) getrennt.

    Nicht weniger Musikkritiker werten Jimi Hendrix`s liveact in Woodstock als seinen besten:

    https://www.youtube.com/watch?v=vgyGJl_xm6o

    In Woodstock hatte u.a. ein bis dahin unbekannter gelernter Klemptner mit Namen Joe Cocker (RIP) durch einen der spektakulärsten Liveacts (ever!) seinen "Durchbruch"!

    https://www.youtube.com/watch?v=tfLyK2DVVUU

    Auch ein - bis Woodstock - eher unbekannter 22 jähriger Mexikaner mit Namen Carlos Santana - Band: Santana - legte - mit einem Highlight Auftritt - in Woodstock den Grundstein seiner Karriere und machte eine eigene Musikrichtung, den Latin-Rock - weltweit bekannt und populär. - https://www.youtube.com/watch?v=AqZceAQSJvc

    nach Alan Posner alles: "völlig bedeutungslos"....!!!!

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    gruener (Luddit), 16.08.2019 05:36, Antwort auf #2
    #3

    nun, ich denke, ich finde bei fast jedem konzert oder festival momente / auftritte, die einmalig sind.

    dennoch:

    du bist doch sonst immer so weit vorne, daher sollte auch in punkto woodstock der gute alte leitsatz von franz josef degenhardt gelten: umdenken, mister! umdenken, mister ... und zwar schnell ... und zwar ... radikal!

    in diesem sinne: kill auch diese antiquierten idols/ideals!

    https://www.youtube.com/watch?v=2jdVferwbmQ

    oder aber bildlich ausgedrückt:

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    drui (MdPB), 16.08.2019 10:01, Antwort auf #3
    #4

    Das Interessante an Woodstock ist wohl der Spin. Es gibt einige recht gute Artikel zum Jahrestag, unter anderem hier

    https://www.spiegel.de/geschichte/woodstock-1969-die-mutter-aller-festivals-a-12 81860.html

    aus denen hervor geht, dass das Festival mäßig organisiert war, gute und schlechte Konzerte enthielt, wegen der extrem hohen Teilnehmerzahlen im Chaos endete (aber stets friedlich blieb) und wenig divers, also eher eine Sache für weiße Mittelschichtskinder war. Erst mit der Videodoku und Vinyl-Veröffentlichungen kam der Mythos und der finanzielle Erfolg. Trotzdem: Für zahlreiche Künstler war es der Durchbruch bzw. der Karrierehöhepunkt.

    Für nachfolgende Generationen enstand ein Zerrbild, so verbinde auch ich Woodstock mit Hippies, freier Liebe, Peace and Love, dabei lag es zeitlich nach den übelsten Morden und Rassenunruhen in der amerikanischen Geschichte, zeitgleich zum Vietnamkrieg. Außerdem verbindet man mit Woodstock Vieles, was Festivals ausmacht, obwohl es nicht das erste war, wo im Schlamm gerutscht wurde oder diverse Freiheiten friedlich ausgelebt wurden. Für ein Konzert dieser Größe war es wohl nicht schlecht, zumal für die meisten kostenlos, aber damals wie heute gilt ab einer bestimmten Teilnehmerzahl: Je größer ein Festival, desto schlechter wird es.

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    Mirascael, 16.08.2019 10:37, Antwort auf #4
    #5

    Woodstock? War das nicht so ein Rechtsrock-Festival?

    *duck*

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    sorros, 16.08.2019 14:49, Antwort auf #5
    #6

    Gestern abend zufällig reingezappt und dann amüsiert geguckt:
    https://www.cinema.de/film/taking-woodstock,3824136.html
    Nette Komödie sicher viel Erfundenes, aber auch ein bißchen Zeitkolorid.

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    gruener (Luddit), 18.08.2019 02:36, Antwort auf #6
    #7

    heute war es denn endlich soweit:

    der öffentlich-rechtliche feiert "sein" woodstock ab. natürlich erst heute: die stunden zuvor war er primär damit beschäftigt, seinen zuhörern sowohl redundant wie nervtötend mindestens einmal stündlich mitzuteilen, welchen besonderen song sich zensursula von der leyen beim großen zapfenstreich gewünscht hatte: wind of change. (selbige versucht er sich nämlich ganz warm zu halten, damit diese in brüssel nicht etwa auf die idee kommt, die weiterhin kritische frage der zulässigkeit von rundfunkabgaben erneut auf irgendeine eu-tagesordnung zu setzen)

    auf ndr-info gab's eine dreistündige sondersendung mit deutschsprachigen zeit- und augenzeugen, die vor allem banalitäten zu berichten wussten. begleitet von zumeist minderwertigen musiktiteln - live aufgenommen während des festivals. (die wenigen wirklich interessanten und erwähnenswerten momente - so hendrix' fassung der us-nationalhymne - ließ man selbstredend aus)

    somit blieben 180 minuten: der hippie-opa erzählt vom krieg im bethel-schlamm! nicht selten mit dem richtigen lacher am falschen oder dem falschen lacher am richtigen platze auf den spröden lippen. das ganze damit überflüssig wie ein kropf. - so viel zum thema: das fleisch ist geduldig. ähnlich dürfte sich auch unteroffizier rolf steiner in peckinpahs "cross of iron" gefühlt haben, wenn er im kugelhagel durchweichte schützgräben durchwatete. ja, auch ich weiß: in woodstock flog kein blei durch die luft, dafür hagelte es tonnen giftiger drogen.

    überhaupt, wie war das alles nur möglich? keine telekommunikation, so viele drogen, alle straßen in der umgebung verstopft und so viele nackte, unsittliche menschen ... heutzutage wäre sowas undenkbar.

    und, nein, wie voll öko doch der ansager auf der bühne gewesen war, als er die besucher aufforderte, den müll bitte schön wieder mitzunehmen. woodstock etwa auch als wiege der weltweiten ökologiebewegung?

    ach, selbst musikgeschichte lässt sich so wunderbar verklären!

    was mich aber sehr verwundert: kein einziger anti-afd-ausfall in den drei stunden. nicht eine einzige anmerkung zum brexit oder zu trump. der ndr ist auch nicht mehr das, was er vor wochen noch war...

    ******

    so, genug abgelästert.

    all diese zeilen wären womöglich überflüssig gewesen, wenn denn der gebührenfinanzierte rundfunk die wirklich wichtigen festivals der 60er - z.b. das monterey pop-festival 1967 oder das erste montreaux festival, ebenfalls 1967, nicht zuletzt auch die isle of wight festivals - analog und ebenso ausführlich "abgefeiert" hätte.

  • RE: Mythos Woodstock - ein Abgesang, ein Zerriss

    Mirascael, 18.08.2019 12:20, Antwort auf #7
    #8

    was mich aber sehr verwundert: kein einziger anti-afd-ausfall in den drei stunden. nicht eine einzige anmerkung zum brexit oder zu trump. der ndr ist auch nicht mehr das, was er vor wochen noch war...

    o_0

    Ich hoffe doch, es wurden wenigstens Salvini, Orban und/oder Bolsonaro aufs schärfste zurechtgewiesen?

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