Wahlsystem der USA

  • Wahlsystem der USA

    Wanli, 10.11.2012 12:18
    #1

    Anderswo wurde schon über die Sinnhaftigkeit des amerikanischen Wahlsystems diskutiert; die Diskussion ist in einem eigenen Thread wohl besser aufgehoben.

    Mich würde Dein langer Beitrag schon interessieren, Impfen, denn eigentlich halte ich es auch eher mit drui - das Wahlrecht in den Staaten finde ich auch nicht überzeugend -, wobei das Vorwahlsystem schon seinen Reiz hat (keine Kandidatenkür im Hinterzimmer), aber natürlich auch Nachteile (der vergleichsweise radikale Teil der Bevölkerung hat praktisch einen stärkeren Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten): Trotzdem eine vergleichsweise gute Idee mMn. Aber Mehrheitswahlrecht im Repräsentantenhauswahlen PLUS politisch zugeschnittene Wahlkreise sorgen gleich doppelt für eine Verzerrung des Wählerwillens. Mal ein Beispiel: Pennsylvania hat klar für Obama gestimmt, aber die Wahlkreise der Repräsentantenhauskandidaten sind so zugeschnitten, dass von insgesamt 18 ganze 13 an die GOP gegangen sind - und diese Größenordnung war vor der Wahl schon klar.

    Ein alternatives Wahlsystem? Mein Favorit wäre da nach wie vor das unter anderem in Irland, Teilen des UK und Australien praktizierte:

    http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbertragbare_Einzelstimmgebung

    Es gibt immer wieder Versuche in den Medien, eine Lanze für das Electoral College zu brechen, aber ich sehe die Vorteile wirklich nicht. Warum nicht einen Wahlkampf, der landesweit um Stimmen wirbt und einen Ausgang wie im Jahr 2000 ausschließt?

    Das Problem in den USA geht ja noch weiter als das Wahlsystem; diese relativ extreme Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative finde ich auch nicht besonders gelungen - da ist mir eine elective dictatorship wie in Großbritannien doch lieber.

    Eine hübsche Seite hat übrigens mal Karten zusammengestellt, die zeigen, wie die Wahl ausgegangen wäre unter der Wahlgesetzgebung vergangener Zeiten. Vor 1870 etwa durften nur weiße Männer wählen; unter diesen Bedingungen hätte das Ergebnis wohl so ausgesehen:

    Vor Einführung des Frauenwahlrechts 1920 wäre eine solche Karte zu erwarten gewesen:

    http://www.buzzfeed.com/buzzfeedpolitics/what-the-2012-election-would-have-looke d-like-with

  • Wahlsystem der USA: Filibuster

    Wanli, 10.11.2012 14:29, Antwort auf #1
    #2

    Anscheinend wächst im Senat die Bereitschaft, das Filibuster-System zu reformieren, welches es der Opposition in vielen Fällen ermöglicht, mit 40 (von 100) Stimmen einen Gesetzentwurf oder die Besetzung eines Amtes zu blockieren. Ein Vorschlag für eine Reform:

    http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2010/04/20/AR2010042003526. html

  • RE: Wahlsystem der USA: Filibuster

    drui (MdPB), 13.11.2012 19:47, Antwort auf #2
    #3

    Es ist ja nicht so, dass man nicht großen Respekt haben kann vor der besten und innovativsten Wahlgesetzgebung va. zwischen 1787 und 1830 (Wahlrecht unabhängig vom Einkommen), 1870 (Wahlrecht für Schwarze) und 1920 (Wahlrecht für  Frauen). Sehr interessant übrigens, wie stark man sich da an Deutschland orientiert hat, ohne dessen damaligen Defizite zu übernehmen, da gabs kürzlich einen tollen Artikel in der Zeit:

    Ein Kaiser für Amerika:

    http://www.zeit.de/2012/45/Thomas-Jefferson-Deutschland-Kaiser

    Es wird dort aber höchste Zeit für Reformen, die Zustimmungswerte für fast alle politischen Institutionen dort sind inzwischen so gering, dass man Angst um die Demokratie haben muss. Der Präsident wird von seinen Gegnern ausführlich gehasst, dem Kongress werden von 80% der Bevölkerung eine überaus schlechte Arbeit attestiert. Das liegt nicht unbedingt vornehmlich an den Wahlrechtsstrukturen, aber wohl auch daran, sie passen einfach nicht mehr und produzieren zu viele Ungerechtigkeiten und zu wenig demokratische Partizipationsformen.

  • RE: Wahlsystem der USA: Filibuster

    Wanli, 13.11.2012 20:44, Antwort auf #3
    #4

    Es fehlt einfach auch an einem ordentlichen Demokratiebewusstsein, das verhindert, dass Leute vom Wählen abgehalten oder unsinnige Wahlkreise nach rein parteitaktischen Motiven konzipiert werden. Und die Mechanismen der Demokratie belohnen nun mal Obstruktionspolitik durch die Opposition, da darf man ihr nicht ein Element wie den Filibuster in die Hände geben.

  • RE: Gerrymandering

    Wanli, 15.11.2012 20:26, Antwort auf #4
    #5

    Mal eine Übersicht über die in einzelnen Staaten gewonnenen Stimmen bei der Wahl zum Repräsentantenhaus und dem Anteil beider Parteien an den vergebenen Sitzen - die Diskrepanz ist schon auffällig:

    Der Unterschied ist wohl nicht vollständig aufs Gerrymandering zurückzuführen; demokratische Wähler verteilen sich im Schnitt auch ungünstiger als republikanische. Aber die derzeitigen Wahlkreise dürften schon einiges zur oben abgebildeten Schieflage beitragen. Erst 2020 werden die Wahlkreise neu zugeschnitten; bis dahin behält die GOP ihren Vorteil.

    http://andrewsullivan.thedailybeast.com/2012/11/chart-of-the-day-7.html

  • Der andere Weg zum Wahlsieg

    Wanli, 17.12.2012 19:14, Antwort auf #5
    #6

    In drei Staaten (Michigan, Pennsylvania und Wisconsin) plant die GOP angeblich Gesetze, die die Wahlmänner des Staates auf beide Kandidaten verteilen würden, abhängig davon, wer die einzelnen Kongresswahlkreise gewinnt. Selbstredend handelt es sich um Staaten, die bei der Präsidentschaftswahl zuverlässig für den Demokraten stimmen. Wären die geplanten Regeln schon in Kraft, dann hätte Romney in diesen Staaten insgesamt mehr Wahlmänner erhalten als Obama. Die Gesetze sollen angeblich im nächsten Jahr verabschiedet werden.

    Senior Republicans say they will try to leverage their party's majorities in Democratic-leaning states in an effort to end the winner-take-all system of awarding electoral votes. Instead, bills that will be introduced in several Democratic states would award electoral votes on a proportional basis.

    Already, two states -- Maine and Nebraska -- award an electoral vote to the winner of each congressional district. The candidate who wins the most votes statewide takes the final two at-large electoral votes. Only once, when President Obama won a congressional district based in Omaha in 2008, has either of those states actually split their vote.

    But if more reliably blue states like Michigan, Pennsylvania, and Wisconsin were to award their electoral votes proportionally, Republicans would be able to eat into what has become a deep Democratic advantage.

    All three states have given the Democratic nominee their electoral votes in each of the last six presidential elections. Now, senior Republicans in Washington are overseeing legislation in all three states to end the winner-take-all system.

    Obama won all three states in 2008, handing him 46 electoral votes because of the winner-take-all system. Had electoral votes been awarded by district, Republican nominee Mitt Romney would have cut into that lead. Final election results show that Romney won nine of Michigan's 14 districts, five of eight in Wisconsin, and at least 12 of 18 in Pennsylvania. Allocate the two statewide votes in each state to Obama and that means Romney would have emerged from those three Democratic states with 26 electoral votes, compared with just 19 for Obama (and one district where votes are still being counted).

    http://www.nationaljournal.com/columns/on-the-trail/the-gop-s-electoral-college- scheme-20121217

  • RE: Der andere Weg zum Wahlsieg

    Wanli, 05.02.2013 18:28, Antwort auf #6
    #7

    Die Debatte um den kürzlich erfolgten Neuzuschnitt vieler Wahlkreise und dessen Konsequenzen geht weiter. Eine der GOP nahestehende Webseite brüstet sich, vor allem diesem kunstvollen Neuzuschnitt habe man es zu verdanken gehabt, dass man mit weniger Wählerstimmen als die Konkurrenz trotzdem mehr Abgeordnete ins Repräsentantenhaus geschickt habe.

    http://www.redistrictingmajorityproject.com/?p=646

    Dementsprechend ist das System der Festlegung von Wahlkreisen auch Gegenstand heftiger Kritik und es hagelt Reformvorschläge:

    www.nytimes.com/2013/02/03/opinion/sunday/the-great-gerrymander-of-2012.html

    Anderswo - auf der ziemlich respaktablen politikwissenschaftlichen Seite Monkey Cage - wird dagegengehalten, dass der Zuschnitt von Wahlkreisen durch die Mehrheitspartei des jeweiligen Staates natürlich Auswirkungen habe und diese Partei begünstige, aber es für dieses Problem keine ganz einfache Lösung gebe.

    http://themonkeycage.org/blog/2012/12/12/navigating-debates-about-redistricting/

    Es wird schon interessant sein, ob die Parteien in den Staaten (und hier insbesondere die GOP) versuchen werden, eigene Wahlerfolge wirklich über den fairen Prozess zu stellen, der auf Dauer die Akzeptanz des demokratischen Systems durch die Bevölkerung erst möglich macht.

  • USA: Stadt versus Land

    Wanli, 12.02.2013 22:24, Antwort auf #7
    #8

    Die Demokraten haben bei den Wahlen eine Mehrheit geholt, aber in immer weniger Counties gehen sie als Sieger vom Platz - diese Counties allerdings sind immer bevölkerungsreicher.

    In his 1992 presidential campaign, Bill Clinton won 1,524 counties nationwide. Obama’s reelection managed to win just 690—fewer than even Jimmy Carter (900) and Michael Dukakis (819) managed in their landslide defeats. Democrats have won the loyalties of a larger share of the voters, but their voters occupy a progressively smaller share of the land. And in our political system, occupying land matters.

    Bei den Präsidentschaftswahlen lassen sich damit immer noch Mehrheiten erzielen - in den letzten sechs Präsidentschaftswahlen errang die GOP nur einmal mehr Stimmen als die Demokraten. Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus sieht die Sache schon anders aus, da reicht eine Mehrheit der Stimmen den Demokraten eben nicht zu einer Mehrheit der Sitze. Doch die gegenwärtige Debatte von Seiten der Rechten geht noch weiter: Die Wähler auf dem Land würden diskriminiert, ihre Stellung müsse zulasten der Metropolen gestärkt werden. Eine Sichtweise, die bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückreicht:

    http://nymag.com/news/features/republican-party-2013-2/

  • USA: Stadt versus Land II

    Wanli, 23.03.2014 14:19, Antwort auf #8
    #9

    Metropole und ländliche Idylle driften in ihren politischen Präferenzen immer weiter auseinander:

    The urban-rural divide has also grown in presidential contests. In 1992, Democrat Bill Clinton beat Republican George Bush in the 50 densest counties--the most urban in the country--by 25 percentage points. By 2012, Democrat Barack Obama's advantage in those urban counties had shot up to 38 points."

    "The shift in rural areas has been even more dramatic. In 1992, Mr. Bush won the 50 least-dense counties--the most rural in the country--by 18 points. In 2012, Mr. Romney's advantage there had roughly tripled, to 53 points.

    http://politicalwire.com/archives/2014/03/21/urban-rural_divide_grows_wider.html

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