gestern begann eine überaus wichtige verhandlung vor dem bundesverfassungsgericht. - worum es konkret geht --> weiter unten.
sehr ungewöhnlich aus meiner sicht, denn das gericht verhält sich für gewöhnlich neutral: am gestrigen dienstag bezog der bverfg-präsident schon in der allerersten sitzung der anhörung klar stellung:
EZB-Präsident Draghi wird überhaupt nicht gefallen haben, was Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle zu sagen hatte. Nach Auffassung seines Senats sprächen „gewichtige Gründe“ für die Rechtsansicht der Kläger, machte Voßkuhle klar.
Damit bekräftigte er die Bedenken jener Verfassungsrichter, die bereits im Sommer 2017 ernste Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Kaufprogramme der Notenbank geäußert hatten. Die Juristen hegen den Verdacht, dass die Notenbank mit ihren Anleihekäufen das Verbot der Staatsfinanzierung unterläuft. Außerdem überspannt sie möglicherweise ihr Mandat, indem sie mehr wirtschafts- als währungspolitisch agiert. Das ist in der EU aber den nationalen Regierungen vorbehalten.
mehr noch, voßkuhle übte massive kritik am eugh: Es sei nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des EuGH zu setzen, machte Voßkuhle klar. Die Bindungskraft einer Luxemburger Entscheidung entfalle nur, wenn diese „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“ und daher „objektiv willkürlich“ sei.
diesen absatz - insbesondere den schlusssatz - muss man sich genüsslich auf der zunge zergehen lassen... eindeutiger geht es kaum!
man wird das gefühl nicht los, die anhörung könnte in wenigen wochen mit einem gewaltigen knall enden, der die EU und insbesondere die euro-zone erschüttern dürfte. wie erwähnt, es ist schon sehr ungewöhnlich, dass das bverfg sich zu beginn einer anhörung derart deutlich zugunsten der kläger äußert. - entsprechend provokant die post-überschrift.
ich greife zurück auf das gestrige morningbriefing von gabor steingart:
Die Rede ist von den Anleihekäufen der EZB: Für 2,5 Billionen Euro hat die Europäische Zentralbank in Frankfurt mittlerweile Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder Aktien aufgekauft, und das alles in stimulierender Absicht. In einer Dauerrettungsaktion soll das Europa der Schuldentürme vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.
Die Medien schreiben immer, EZB-Chef Mario Draghi hätte im Jahr 2012 gesagt, er gebe alles, um den Euro zu retten: „Whatever it takes!“ Doch das ist von der Wahrheit nur die eine Hälfte. Draghi ist kein Feudalfürst und seine Institution kein Staat im Staate, weshalb der vollständige Satz von ihm auch lautete:
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Oder zu deutsch: Im Rahmen ihres Mandates ist die EZB bereit, alles zu tun, um den Euro zu erhalten.
Um diesen ersten Teil des Satzes – „within our mandate“ – geht es in den kommenden beiden Tagen vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe. Der prominente Münchner Wirtschaftsanwalt und ehemalige CSU-Vize Peter Gauweiler führt eine Klage an, die Fragen von historischer Bedeutung beantworten soll:
► Wie genau sieht dieses Mandat der EZB aus? Und berechtigt es wirklich dazu, billionenschwere Risiken in die Bilanz aufzunehmen?
► Welche Rolle spielen beispielsweise die Eigentümer der EZB, also die Notenbanken von Deutschland, Frankreich und Italien, bei diesem Prozess? Sind sie Zuschauer oder Akteure mit einem Verweigerungsrecht eigener Art?
Es geht in diesem Prozess wahrlich nicht um Kleinigkeiten. Die Bilanzsumme der europäischen Notenbanken beläuft sich auf mittlerweile 4,5 Billionen Euro – also fast das 13-fache des deutschen Bundeshaushaltes. Allein die Summe der von 2015 bis 2019 getätigten Aktien- und Anleiheaufkäufe ist in den Bilanzen der EZB mit 2,5 Billionen Euro beziffert, dem 58-fachen des Bundeswehr-Etats. Man könnte für dieses Geld 170 Mal die Deutsche Bank kaufen.
Ab heute Nachmittag 15.00 Uhr wird also in Karlsruhe verhandelt. Gewinnt Gauweiler, sagt der SZ-Kolumnist Heribert Prantl – der einst selbst als Richter und Staatsanwalt tätig war –, müsste die Deutsche Bundesbank ihre Mitwirkung bei den Anleiheankäufen der EZB sofort einstellen: „Das wäre im Ergebnis nicht weniger als der Ausstieg Deutschlands aus dem Euro-System.“
Für den Morning Briefing Podcast [gaborsteingart.com] habe ich mit dem Kläger der Verfassungsbeschwerde gesprochen. Peter Gauweiler begründet seine Position wie folgt:
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Die Richter sind nicht zu beneiden. Denn die Rückkehr zur Normalität bedeutet mittlerweile ein enormes Risiko. Käme die Idee der Seriosität an die Macht, sagt Peter Sloterdijk, würde sie den babylonischen Turm der kreditbasierten Künstlichkeit binnen kürzester Zeit zum Einsturz bringen. Auf der schiefen Ebene, so der Philosoph, muss man mit der Schräge kooperieren.
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nun, das kann ziemlich heiter werden!
ich stelle für den fall der fälle schon einmal den champagner kalt! - für den bislang noch hypothetischen fall, dass ausgerechnet das BVerfG uns den weg aus dem EU(RO)-kaninchenstall weist.
denn mit folgender festhaltung dürfte heribert prantl richtig liegen: Ein Urteil zu Gunsten der Kläger um Peter Gauweiler „...wäre im Ergebnis nicht weniger als der Ausstieg Deutschlands aus dem Euro-System.“
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in diesem kontext bitte auch unbedingt lesen: Helikoptergeld für alle?!
der ezb-wahnsinn wird dabei überdeutlich!
der große knall - womöglich der größte knall seit dem black friday 1929 - ist vorprogrammiert. die frage ist nicht länger, ob er kommt, sondern lediglich, wann er kommt?
all das könnte auch einen neuen blick werfen auf die harte, kompromisslose haltung eines boris johnson ggü. der eu. es würde mich nicht wundern, wenn er den austritt großbritanniens vorzieht. denn: im zweifel rette sich, wer kann? - kein satzzeichenfehler. aber wer könnte, außer uk?
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ebenfalls zum thema:
https://www.tagesgeldvergleich.net/statistiken/ezb-anleihekaeufe.html
https://www.ndr.de/info/Anhoerung-zu-Anleihekaeufen-der-EZB,wirtschaft296.html
https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-12/eugh-anleihekaeufe-der-ezb-sind-rechtens - zum EUGH-urteil von 2018
http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/PSPP_Analyse_Heinemann_2017.pdf
Sei mir nicht böse, aber es ist völlig utopisch anzunehmen, dass das BVerfG Deutschland dazu zwingt, aus der gemeinsamen Währungspolitik auszusteigen. Dazu sind die politischen Kräfte, die auf finanzielle Souveränität Deutschlands bestehen, einfach viel zu schwach. Spannend wird vielleicht, welche argumentativen Tricks das Gericht aufwendet, um die Anleihekäufe zu legitimieren.
Dies dürfte wohl ein passender Kommentar zu diesem Thema sein.
"Insgesamt setzt das Verfassungsgericht mit seinem Urteil zur Bankenunion seine Linie in der Rechtsprechung zur Eurozone und zur EZB fort. Die Richter drücken ihr Unbehagen an der wachsenden Zentralisierungstendenz und an dem selbstermächtigenden Gebaren von EU-Institutionen aus, mahnen daher die Beachtung von Subsidiarität und demokratischer Kontrolle an, scheuen aber den großen Konflikt mit den Richtern des EUGH.
Das zeigt: Juristisch lässt sich der von Brüssel vorangetriebene europäische Schattenstaat, dessen Institutionen fernab demokratischer Kontrolle wichtige Entscheidungen treffen, kaum aufhalten. Mehr als inkrementelle Korrekturen eines sich beschleunigenden Zentralisierungsprozesses, der die EU immer mehr von den Bürgern entfremdet, sind von den Richtern in Karlsruhe nicht zu erwarten. Wer auf mehr Subsidiarität, mehr Selbstbestimmung und weniger Vergemeinschaftung von Risiken und Haftung setzt, sollte nicht auf die Richter, sondern auf das Votum der Bürger an den Wahlurnen bauen."
In den nächsten Wochen und Monaten finden u.a. folgende Wahlen und Abstimmungen statt – zu allen Terminen werden (voraussichtlich) Märkte aufgesetzt:
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1. Halbjahr
2. Halbjahr
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