Die "tageszeitung" (Berlin):
"Gewiss hat der scheidende Kanzler Alfred Gusenbauer durch seinen eigentümlichen Führungsstil sein Ende selbst heraufbeschworen. Das Chaos der Sozialdemokraten, das in einem peinlichen Kniefall vor der mächtigen, europafeindlichen Kronen-Zeitung gemündet war, hat den Ausstieg der Volkspartei aus der Großen Koalition provoziert. Zuvor hat diese allerdings alles getan, damit es so weit kommt. (...)
Kaum vorstellbar, dass durch die Herbstwahlen irgendetwas besser wird. Aller Voraussicht nach wird die rechtsradikale Freiheitliche Partei unter dem Mini-Haider Heinz-Christian Strache am meisten vom Regierungsdebakel profitieren. Werner Faymann, der designierte neue SPÖ-Chef und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, wird wohl mit (Links-)Populismus kontern - einerseits den Lafontaine (Chef der deutschen Linkspartei, Anm.) machen, andererseits allen möglichen niederen Instinkten schmeicheln. Am Ende werden wieder zwei - wenn nicht sogar drei - Parteien eine Regierung bilden, die tagtäglich nur an einem arbeitet: am Misserfolg des ungeliebten Koalitionspartners."
"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Die SPÖ stolperte unverhofft in einen Wahlsieg, der ihr das Kanzleramt und die Führungsrolle einbrachte, mit der sie letztlich aber keine prägende Politik entwickeln konnte. Der Führungsanspruch ließ sich nicht in die natürliche Autorität einer Kanzlerpartei ummünzen. Alfred Gusenbauer vermochte niemals den Chef-Bonus einzuheimsen. Die ÖVP wiederum war und ist von der Grandiosität ihrer Führungsarbeit in den Jahren zuvor derart eingenommen, dass sie bis heute ihre Niederlage als einen schweren Irrtum der Geschichte und einen Missgriff der Wähler ansieht.
Vizekanzler und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer musste einigen Mut aufbringen, um die Koalition für beendet zu erklären. Die auf Stabilität und Harmonie versessenen Österreicher haben noch fast jedes Mal jene abgestraft, die vorgezogene Neuwahlen provoziert haben. So wird der Wahlkampf von der Frage beherrscht sein, wer schuld daran ist, dass vorzeitig gewählt werden muss."
"Handelsblatt" (Düsseldorf):
"Die politische Krise in Wien schwelte schon seit mehreren Monaten. Wie in Deutschland war das Regierungsbündnis der beiden größten Volksparteien von Anfang an nicht sonderlich beliebt. Im Unterschied zur Großen Koalition in Berlin sind die Auseinandersetzungen zwischen SPÖ und ÖVP jedoch in den vergangenen Wochen viel schärfer ausgetragen worden. ÖVP-Chef Molterer nutzt mit der Aufkündigung des Regierungsbündnisses die Gunst der Stunde: Die konservative Volkspartei kalkuliert damit, dass sie bei schnell angesetzten Parlamentswahlen im September die Nase vorn haben wird. Die ÖVP profitiert dabei von einer Schwäche der SPÖ."
"Financial Times Deutschland" (Hamburg) titelt "Ende eines Fliegegewichts":
"Diese Demontage hat sich Gusenbauer selbst zuzuschreiben. Der Regierungschef hat es in seiner Zeit als SPÖ-Chef fertiggebracht, in der eigenen Partei noch umstrittener zu sein als Kurt Beck in der SPD. Aber auch als Bundeskanzler gab Gusenbauer eine erschreckend schwache Figur ab. So schwach, dass ihn am Ende selbst die Flucht in plumpe populistische Manöver nicht retten konnte.
So sehr es sich manch einer in Deutschland wünscht - als Blaupause für Berlin taugt die Implosion der zerstrittenen Großen Koalition im Nachbarland aber nicht. (...) Anders als in Österreich steht Schwarz-Rot in Berlin (...) kein politisches Fliegengewicht wie Gusenbauer vor. Angela Merkel, die bei ihrem Amtsantritt 2005 ähnlich belächelt wurde wie ihr österreichischer Kollege, hat ihre Regierung so weit im Griff, dass es zwar regelmäßig zu Scharmützeln kommt, aber nie zum großen, existenzgefährdenden Knall. "
"Neue Zürcher Zeitung":
"Die Bilanz dieser Regierung ist mehr als betrüblich. Keines der großen Reformvorhaben wurde erfolgreich abgeschlossen; erst an diesem Sonntag musste auch die Gesundheitsreform beerdigt werden. Von außen betrachtet, könnte es fast wie eine günstige Fügung erscheinen, dass dieses Trauerspiel endlich beendet wird. (...) Die anderthalb Jahre der Großen Koalition waren eine verschwendete Zeit.
Aber was nun? Zunächst wird sich vor allem die SPÖ um ihren miserablen Zustand kümmern müssen. Zwar scheint der Machtkampf an der Spitze zugunsten des ehrgeizigen Verkehrsministers Faymann entschieden zu sein. (...) Aber wie soll man in Faymann den großen Neuerer erblicken, wenn er sich durch den unglaublichen Fauxpas mit der 'Kronenzeitung' jeglicher Vertrauenswürdigkeit beraubt hat? Sein politisches Talent mag unbestritten sein. Seine Begabung zu trüben Tricks und windigen Winkelzügen aber genauso. Wie sich daraus eine Läuterung der in zahlreiche unappetitliche Geschichten verwickelten Partei erreichen lassen soll, ist ein ziemlich großes Rätsel."
"Tages-Anzeiger" (Zürich):
"In die Geschichte der Republik Österreich wird Gusenbauer wohl als eine der traurigsten politischen Figuren eingehen. Als einer, dem niemand den Erfolg zutraute, der es doch schaffte - und seine Karriere am Ende selbst zerstörte. (...) Zuletzt hatte der einsame Mann im Kanzleramt niemanden mehr an seiner Seite, außer ein paar alten Freunden aus alten Zeiten, als er noch die Jungsozialisten geführt hatte.
Kann der neue Vorsitzende und Spitzenkandidat die Sozialdemokraten aus der schweren Krise führen? Werner Faymann ist kein Autist wie Gusenbauer, sein Kommunikationstalent wird überall gelobt. (...) Aber er hat sich in die Abhängigkeit der mächtigsten Boulevardzeitung des Landes begeben."
"Dolomiten" (Bozen):
"Alfred Gusenbauer hat seinen Kanzlertraum ausgeträumt. Nach fast siebenjährigem Anlauf hatte er sein Wunschamt im Jänner vorigen Jahres ergattert, mit nicht einmal zwei Jahren Amtszeit wird er nun als einer der kürzestdienenden Regierungschefs in die österreichische Politgeschichte eingehen. Innerparteilicher Druck zwang den Niederösterreicher, das Heft Werner Faymann zu übergeben, der die SPÖ in die kommende Wahl führt, die möglicherweise am 21. September stattfindet.
Am Überraschendsten an Gusenbauers Demontage ist, dass diese just jetzt erfolgt, wo er seinen schon in der Sandkiste gehegten Kanzlertraum realisieren konnte. Ein schwieriger Koalitionspartner, ungeschickte Äußerungen gegen die eigenen Partei und Wahlverluste in den Ländern kosteten ihn letztlich schon in seiner ersten Amtsperiode den Kanzlerkopf, ein ziemlich einmaliger Vorgang für einen Politiker, der sich persönlich keinen Skandal zuschulden kommen ließ."
"Delo" (Laibach/Ljubljana):
"Die Große Koalition musste untergehen, weil sie schon mit gekreuzten Fingern geboren wurde. Die führenden Politiker der Volkspartei waren überzeugt, dass sie die Wahl ungerechterweise verloren haben, der sozialdemokratische Kanzler Alfred Gusenbauer erwies sich mit seiner Unfotogenität vor Fernsehkameras als leichte Beute und im ersten Jahr der Koalition hat die Volkspartei ihrem Koalitionspartner ordentlich Schwierigkeiten gemacht. (...) Im Prozess des Zerfalls der Großen Koalition ist vielmehr der Salto mortale in der Frage der EU-Verträge zu verurteilen, den die Sozialdemokraten unter der Leitung des 'Kronen-Zeitung'-Freundes Werner Faymann vollbracht haben, um nationalistische Stimmen zu gewinnen.
Die Linke in den Nationalstaaten gerät immer wieder in die Versuchung, im Kampf mit der nationalistischen Rechten für die Arbeiterstimmen nach nationalistischen Slogans zu greifen, wobei sie in die Gefahr kommt, sich in gefährliche Verhältnisse zu verwickeln. Österreich als neues Italien, ein Land mit hervorragender Wirtschaft und verwirrter Politik, ist dabei die geringste Sünde; auch im deutschsprachigen Raum besteht vielmehr die gefährliche Möglichkeit, dass in der Bevölkerung unterdrückte und nie vollständig besiegte Gefühle erweckt werden, die man nicht umsonst nationalsozialistisch nennt."
"Sole 24 Ore" (Mailand):
"Politische Krise in Österreich: Nach knapp 18 Monaten ist die Große Koalition zusammengebrochen. Schuld an der Lage ist der plötzliche Richtungswechsel der SPÖ in der europäischen Politik mit dem provokanten Vorschlag, einen eventuellen neuen EU-Vertrag einem Referendum zu unterziehen. Dieser Schachzug, in einem Land, in dem die Popularität der EU auf ein Rekordtief gesunken ist, hat das schwache Gleichgewicht der Koalitionspartner gebrochen."
Corriere della Sera (Mailand):
"Koalition adieu, Österreichs Regierung stürzt wegen der EU. Krise nach der euroskeptischen Wende der SPÖ. Eine eineinhalbjährige Amtszeit einer krisengeschüttelten Regierung, die sich nur von Streit zu Streit über Wasser gehalten hat, geht zu Ende. Die Regierung ist Opfer des irischen 'Neins' zum EU-Vertrag. (...) Jetzt ist es offenkundig, dass die Große Koalition unter dem Druck der SPÖ-Krise zusammengebrochen ist. In Wien ist es der SPÖ niemals gelungen, den Ton anzugeben."
Re: Starker tobak für die roten kampfposter und kampstrichler
es macht wenig Sinn, dem roten Kampfposting ständig mit schwarzem Kampfposting zu begegnen. Auch wenn's in Form (zweckdienlich ausgewählter) Zeitungsausschnitte daher kommt. Das eine dient der Wahrheitsfindung ja so wenig wie das andere.
Das ständige Copy & Paste nervt überhaupt ein bissl, find' ich. Eine Unsitte. Wer was zu sagen hat, soll es sagen. Für den Rest reicht in der Ära der Netze ein Link.
LG - Q.
Re: Starker tobak für die roten kampfposter und kampstrichler
Wer was zu sagen hat, soll es sagen. Für den Rest reicht in der
> Ära der Netze ein Link.
>
ja, wenn denn ein jeder den verlinkungscode nutzen würde (< a> link < /a> ohne leerzeichen in den eckigen klammern) jedes mal den link zu markieren und dann zu übertragen, nervt nämlich auch.
etwas anderes: hat irgendwer irgendwo einen hinweis auf die neue nr-börse gepostet?
soll keine kritik sein. postet ruhig woanders hinweise auf wahlfieber. manchmal ist es einfach nur gut zu wissen. dann kann man anmeldungen zuordnen ohne umfangreiche forschungen in den logs zu betreiben.
Ich haette da jetzt nix auszusetzen.
Als "schwarzes Kampfposting" wuerde den Beitrag von Rom wahrlich nicht bezeichnen, dazu fehlen die spezifischen Merkmale.
Die Auswahl der Zeitungen deckt zwar nicht das ganze Spektrum ab, und ist etwas einseitig, aber (a) werden in den einzelnen Artiklen durchaus verschiedene Aspekt angesprochen, es ist mithin keine langweilige Wiederholung, (b) die TAZ ja eine andersartigen Farbtupfer, da sie nun wahrlich kein Freund der Konservativen ist.
Zitate, die mit kurzgehaltenen Zusammenfassungen oder Inhaltsangaben versehen sind (und korrekt widergegeben werden - daran hapert es hier ja manchmal bewusst), bewerte ich als eine Bereicherung.
Re: Starker tobak für die roten kampfposter und kampstrichler
> ja, wenn denn ein jeder den verlinkungscode nutzen würde (< a> link < /a>
> ohne leerzeichen in den eckigen klammern) jedes mal den link zu markieren
> und dann zu übertragen, nervt nämlich auch.
Vorschlag: Wie wär's, die nutzbaren Codes in einer Liste zusammen zu schreiben + das zB unter "Infocenter" hier zu publizieren?
Re: Starker tobak für die roten kampfposter und kampstrichler
> Als "schwarzes Kampfposting" wuerde den Beitrag von Rom wahrlich nicht
> bezeichnen, dazu fehlen die spezifischen Merkmale.
Naja, das ist schon Kampfposting. In der ganzen Krone-Brief-Lissabon-Vertrags-Volksabstimmungs-Debatte wich keines der zahllosen Rom-Postings, großteils eh per Copy/Paste generiert, auch nur 1 mm von der V-Parteilinie ab.
Ich mein, es kann ja nicht sein, dass ein nüchterner, um die Wahrheitsfindung bemühter Beobachter eine Volksabstimmung in einem demokratischen Gemeinswesen wie der Rep. Österreich per se als "politischen Amoklauf" bezeichnet (= V-Parteilinie + Rom-Linie). Das ist ja pure Demagogie. Man kann ja im einzelfall für oder gegen eine Volksabstimmung sein, ein "politischer Amoklauf" ist sie jedenfalls nicht. Und demokatieppolitisch sind dergleichen Aussagen fraglos höchst bedenklich.
Oder: "Verkronenzeitisierung der SPÖ" (= V-Parteilinie + Thread-Titel hier). Das ist doch, bitte, sehr billig. Ein nüchterner, um die Wahrheitsfindung bemühter Beobachter kommt, einverstanden, zum Schluss: Es wirkt ein bissl lachhaft, wenn ein Bundeskanzler seine Vorstellungen per Leserbrief an die "Krone" kundtut. Ein Kabarattist könnte daraus wohl eine gelungene Pointe machen.
Aber von einer Staatsaffaire ist das, bitte, weitest möglich entfernt. Da wird daher geredet, die Republik sei "an die Krone ausgeliefert" worden, so V + Rom seit Tagen. Als sei Dichand der Diktator auf Lebenszeit angeboten worden. Diese Argumentation, bitte, unterschreitet ja das übliche "Krone"-Niveau noch.
Was ist, nüchtern betrachtet, passiert? - Ein Politiker versucht, sich bei einer Zeitung + ihren Lesern beliebt zu machen. Das machen sie alle, V nicht weniger als S. Naturgemäß tut's jeder bei jenem Blatt, das seine Wähler lesen. Bei S ist das halt die "Krone".
V tut sich natürlich ein bissl leichter, als gleich drei Blätter, "Kurier" (der allen voran), "Kleine Zeitung" und "Presse" ja direkt oder indirekt ihnen gehören. Da kann man es umgekehrt machen, die schreiben halt dann, was die Partei kommuniziert sehen will.
Das Niveau ist dabei um nix besser. Das ist ja die Tragödie der österr. Presselandschaft.
Und wenn wir schon bei Niveau sind: Da wird das Niveau beklagt, Rom einmal mehr unisono mit V, mit dem die "Krone" gegen den Lissabon-Vertrag kampanisiert. Ja, zugegeben, ist für den nüchternen, um die Wahrheitsfindung bemühten Beobachter etwas betrüblich.
Wenn man dann im Gegenzug aber zu hören bekommt, ohne Lissabon-Vertrag stünden Europa 1000 Jahre des Niedergangs, des Elends und der Kriege bevor, ja, eigentlich wäre der Weltuntergang damit besiegelt - naja, das unterschreitet das "Krone"-Niveau ja tendenziell noch.
Und wenn dergleichen in einem Forum permanent wiederholt wird, dann trifft die Klassifizierung "schwarzes Kampfposting" imo durchaus zu.
Wenn mir dann der kleine Witz einfällt, mit ;-) klar gekennzeichnet, man soll Arigona hier behalten und dafür den Innenminister in den Kosovo abschieben, das wäre ein guter Tausch für Österreich - sicherheitshablber noch mal ;-) - beschwert er sich, das sei "skandalös".
Also.
Wenn man selbst so empfindsam ist, soll man nicht mit Steinen werfen.
Im Übrigen sind die Debatten zwischen Rom und meiner Wenigkeit ohnehin die zwischen Freunden. Gruß an Rom. ;-)